Wenn viele Tonnen auf Reisen gehen



In Deutschland werden Frachtguttransporte, die nicht maß- und/oder gewichtsgerecht sind, als Großraum- und Schwertransporte (auch: Schwerguttransport) bezeichnet. In der Schweiz werden solche Transporte als Ausnahmetransporte bezeichnet, Fahrzeuge des Straßenverkehrs werden als Ausnahmefahrzeuge bezeichnet. Letztere sind an braunen Kontrollschildern erkennbar.


Großraum- und Schwertransporte weichen von den Vorschriften der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) ab. Es werden vier Arten unterschieden: 

  1. Großraum = große Abmessungen und kleines Gewicht (zum Beispiel ein Blechsilo, Tank, Schwimmbecken)
  2. Schwertransporte = geringe Abmessungen, aber sehr hohes Gewicht (z. B. Betonträger, Kranballast)
  3. Großraum- und Schwertransporte = eine Kombination aus 1. + 2. (z. B. Großtransformatoren, Turbinen, Gasphasenreaktoren)
  4. Langtransporte = Güter mit Längen über 20 Meter (z. B. Holz-Dachbinder, Flügel von Windkraftanlagen, Mastschüsse, ein Maibaum)
Diese Transporte verursachen eine übermäßige Straßenbenutzung und bedürfen deshalb einer Genehmigung nach § 29 Abs. 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Voraussetzung für eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO ist jedoch eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO. Je nach Abmessung (Höhe, Länge und Breite) des Lastkraftwagens und seiner Ladung bzw. Nachläufers, sind Begleitfahrzeuge (BF3) und/oder Begleitung durch die Polizei vorgeschrieben.
Derartige Transporte werden nur zu bestimmten Zeiten genehmigt. Während der Ferien ist die Benutzung bestimmter Bundesautobahnen grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Zeiten werden Sperrzeiten genannt und sind nach dem Auflagenkatalog „RGST“ geregelt. Generell gilt:
Schwertransporte dürfen nur von Montag 9 bis Freitag 15 Uhr durchgeführt werden. Bei einer Breite bis 3,20 Metern wird meist die verkehrsarme Fahrzeit genehmigt, was bedeutet, dass die Transporte nicht in der Zeit von 6–8:30 und von 15:30–19 Uhr durchgeführt werden dürfen. Nahezu alle Transporte, die über diese Breiten hinausgehen, werden während der Nacht zwischen 22 und 6 Uhr durchgeführt.
Da Sondertransporte nur mit einer gültigen Genehmigung stattfinden dürfen, muss vor dem geplanten Transport eine Genehmigung beim zuständigen Ordnungsamt eingeholt werden. Hierzu wird ein Genehmigungsantrag mit dem Absender, Empfänger, Ladungsabmessungen, Gewichten (eventuelle Leerfahrtabmessungen), Kennzeichen, Achslasten, Achsabständen, Anzahl der Räder je Achse, Spurweite sowie der Fahrtwegbeschreibung an das Amt übermittelt. Das Amt gibt diesen Genehmigungsantrag in die Anhörung (er wird an die zuständigen Bundesländer übermittelt, diese verteilen den Antrag weiter) und wartet auf die Zustimmung. Wenn die Zustimmung von allen Betroffenen vorliegt –, dies kann bis zu drei Wochen dauern –, erstellt das Amt eine Genehmigung, in welcher Auflagen der angehörten Stellen zusammengefasst sind. Diese Genehmigung ist maximal gültig bis zum Ende des Folgemonats.
In Deutschland ist es üblich, dass Schwertransportunternehmen eine Dauergenehmigung besitzen, welche sie für ein Jahr beim zuständigen Ordnungsamt beantragen. Diese Genehmigung ist kennzeichenbezogen. Die Länge darf bis zu 23,00 m, die Breite bis zu 3 m, die Höhe 4 m und das Gewicht 41,8 Tonnen betragen. Hierzu ist es notwendig, eine Genehmigung nach § 70 StVZO zu erlangen. In NRW ist diese kostenpflichtige Ausnahmegenehmigung beim Regierungspräsidium Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster zu beantragen und wird auch durch diese ausgestellt. Zum Erlangen dieser Ausnahmegenehmigung muss ein Gutachten des Aufliegers mit einer speziellen Sattelzugmaschine (baugleicher Art) vom TÜV erstellt werden.
Sobald eine der o. g. Abmessungen überschritten wird, muss die Einzelgenehmigung eingeholt werden.
Zum Transport werden teilweise spezielle Konstruktionen wie Tragschnabelbrücken (Ladegut steif genug für die Knickmomente der Schnäbel) oder Kesselbrücken (extrem absenkbar) benutzt.
Mit Beginn des Jahres 2008 wurde VEMAGS (Abkürzung für „Verfahrensmanagement für Großraum- und Schwertransporte“) eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein internetbasiertes Verfahren, bei dem der Antragsteller einen Genehmigungsantrag nach §§ 29, 46 StVO über eine Website an seine zuständige Behörde richtet. Diese Behörde wiederum verteilt die Genehmigungsanfrage auf der gleichen Plattform an die anzuhörenden Stellen. Der große Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass es quasi keinerlei Medienverluste durch unleserliche Faxe mehr gibt. Weitere Vorteile sind, dass das Programm Plausibilitätsprüfungen zum Antrag durchführt und das gesamte Verfahren online nachvollziehbarer wird. Allerdings ist nicht jede Behörde verpflichtet, am VEMAGS teilzunehmen. Städte und Landratsämter müssen für diesen Dienst monatliche Gebühren entrichten. Vor allem in Bayern werden viele Anträge durch die "GENOSK eG" bearbeitet, ein offizieller "Verwaltungshelfer des Freistaates Bayern".
Selbstfahrer sind Tieflader mit dauerhaft oder je nach Bedarf angebautem Motor, der via Hydraulikleitung von Nutzlast belastete Räder mittels Hydraulikmotoren antreibt. Die steuernde Person kann aufsitzen oder auf der Straße vorausgehen. Der Tieflader wird dabei nicht punktuell durch die Zugkraft einer Zugmaschine belastet. Der Straße wird die Zusatzbelastung durch das Gewicht einer Zugmaschine erspart, was insbesondere auf Brücken bedeutsam sein kann.

Strecken

Routinemäßig transportiert MAN Diesel & Turbo Schiffsmotoren aus dem Werk Augsburg zum Neckar-Hafen Heilbronn, wo der Schwergutkai für 350 Tonnen ausgebaut wurde. Ebenfalls in Augsburg ansässig sind Unternehmen der Luftfahrtindustrie. Für diese wurde Anfang 2010 ein 267-Tonnen-Schwertransport mit einem 25 m langen und 8 m breiten Autoklav-Ofen für den Flugzeugbau (Großraumflugzeug Airbus A350) durch die Spedition Voss International von Lauffen am Neckar nach Augsburg verbracht. Drei Wochen brauchte der Transport im Winterwetter für die knapp 200 Kilometer lange Strecke auf teils verschlungenen Pfaden, die bereits 2008 erkundet wurden (Etappenorte u. a.: Mickhausen, Schwabmünchen, Oberottmarshausen).
Die Landesstraße 1066 im Landkreis Schwäbisch Hall ist Teil der ausgewiesenen Schwerlast- und Großraumtransportstrecke zwischen Ravensburg und Heilbronn, was dazu beitrug, in Fichtenberg die im November 2010 eröffnete Ortsumgehung zu bauen. Zudem werden die Bundesstraße 39, Bundesstraße 14 (Mainhardt bis Sulzbach an der Murr), Bundesstraße 19 (Gaildorf-Unterrot bis Neresheim) benutzt. Nicht immer läuft alles reibungslos. So kam 2005 ein Transport bei Abtsgmünd von der Straße ab. Im November 2010 wurde ein 390 Tonnen schwerer und 70 Meter langer Transport an der Rems-Murr-Kreisgrenze bei Fornsbach einige Tage aufgehalten, weil der Achsabstand des Lastzuges geringer als genehmigt war.

Job of the Year

Der Europäische Dachverband der Schwertransport und Kranspezialisten (ESTA) schreibt jedes Jahr die ESTA Awards of Excellence aus. Dafür wurden die anspruchsvollsten und schwierigsten Schwertransporte gesucht, welche im Jahr 2009 durchgeführt wurden. Die ESTA verleiht neun Preise in verschiedenen Kategorien an Kran- und Schwertransportunternehmen.
Schwergutspezialisten aus ganz Europa bewarben sich um diesen Preis, der 2010 im Rahmen der Bauma (Messe) in München verliehen wurde. Ein Schwertransportunternehmen aus Süddeutschland kam in der „Königsklasse über 120 t“ auf den ersten Platz mit dem Transport eines 300 t schweren Gussteils, welches mit drei Tiefladern nebeneinandergekoppelt über die 600 m lange Werratalbrücke Hedemünden transportiert wurde. Der Transport mit einem Gesamtgewicht von ungefähr 500 t musste von vier Zugmaschinen gezogen unter anderem eine achtprozentige Steigung überwinden.

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