Wilfried Uhde – Vorsitzender der ad hoc-Gruppe „Zollfragen“ der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen – GEB -
Zölle gehören zu den ältesten Abgaben der Menschheit. Ihre Spuren lassen sich bis in das 3. Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen. Das ist an sich noch nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist jedoch, dass Zölle auch heute noch unverändert aktuell sind.
Ungewöhnlich ist aber auch, Ihnen in 15 Minuten die Zollvorschriften verständlich zu machen, wie sie beim Ausbau des Eisenbahngüterverkehrs zwischen den Ländern der Europäischen Union und ihren östlichen Nachbarn zu berücksichtigen sind. Aber: ich werde es versuchen !
Trotz fortschreitender Liberalisierung des Welthandels und des permanenten Abbaus der Zölle im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), erfassen und überwachen alle Staaten oder Staatengemeinschaften, wie z.B. die Europäische Union, zur Sicherung ihrer Eingangsabgaben, zur Erfüllung der Ausfuhrförmlichkeiten aber auch z.B. zum Schutz der menschlichen und tierischen Gesundheit, der Pflanzen sowie zum Schutz von Sicherheit und Ordnung, den grenzüberschreitenden Warenverkehr.
Gleiche Ausgangsposition für alle Verkehrsträger: Keine Ware verlässt ein Zollgebiet oder tritt in ein Zollgebiet ohne zollamtliche Überwachung ein.
Wie die einzelnen Staaten und Staatengemeinschaften diesen Anspruch im einzelnen sichern, dass sie also erfahren, dass die Waren über die Grenze verbracht werden, regeln deren Zollvorschriften. Überwachung bedeutet aber: mögliche Kontrolle und in deren Folge Aufenthalt / Verzögerung. Diese Zollvorschriften sollten also angesichts der weltweiten Bedeutung des Außenhandels zum Ziel haben, Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen möglichst zu vermeiden, sie zumindest aber in geringst möglichem Umfang zu halten.
Diese Ausgangssituation heißt also für den Warenverkehr zwischen der Europäischen Union und ihren östlichen Nachbarstaaten: Beachtung der einzelnen staatlichen Zoll- und sonstigen verwaltungsbehördlichen Vorschriften aller am Transport jeweils beteiligten Staaten bzw. Staatengemeinschaften. Das Ganze wird dadurch nicht einfacher, dass sich die östliche Außengrenze der Europäischen Union seit ihrer Ost-Erweiterung erstmals auch mit der transportrechtlichen Schnittstelle CIM / SMGS deckt.
Welche Zollvorschriften sind also im einzelnen konkret zu berücksichtigen ?
Die Europäische Gemeinschaft hat das Prinzip, Zollförmlichkeiten und Kontrollmaßnahmen in einem geringst möglichen Umfang zu halten, zuletzt mit den Vorschriften des Zollkodex der Gemeinschaften (VO (EWG) Nr. 2913/92) aus dem Jahr 1992 umgesetzt. Das darin verankerte zollrechtliche Versandverfahren zur Überwachung des Warenverkehrs zwischen der Gemeinschaft und Drittländern gehört für die Europäische Gemeinschaft zu den Eckpfeilern der europäischen Integration. Innerhalb der Gemeinschaft gibt es bekanntlich keine Zollgrenzen mehr.
Ein derartiges Versandverfahren ermöglicht einen freieren Warenverkehr, erleichtert die zu erfüllenden Zollförmlichkeiten durch das Aussetzung der Zölle und Steuern, entlastet die Außengrenzen und ermöglicht die Zollbehandlung einer Ware im Betrieb des Empfängers bzw. in dessen unmittelbarer Nähe.
Erlauben Sie, dass ich mich in Anbetracht der mir zur Verfügung stehenden Zeit bei der Darstellung der verschienenen Versandverfahren auf das vereinfachte Eisenbahnversandverfahren beschränke, das bereits seit dem Jahr 1971 sehr weitgehende Vereinfachungselemente beinhaltet:
§
der
internationale Frachtbrief CIM gilt im Gebiet aller Vertragspartner als
Versandanmeldung und Versandschein T,
§
grundsätzlich
keine Aufenthalte der Gütertransporte wegen Zollförmlichkeiten beim
Überschreiten einer Außengrenze der Europäischen Union,
§
Verzicht
auf Sicherheitsleistung,
§ Verzicht auf Rückmeldung der Sendungen durch die Bestimmungszollstelle.
Die Eisenbahnen übernehmen dafür, quasi als Gegenleistung, die Hauptverpflichtung für jede zu befördernde Sendung. Sie haften gegenüber dem Zoll für alle Zuwiderhandlungen. Der Zoll kann die ordnungsgemäße Zollabwicklung der Eisenbahntransporte bei den Güterabrechnungszentralen der Eisenbahnen in den einzelnen Staaten vollständig kontrollieren.
Es soll in diesem Zusammenhang aber nicht verschwiegen werden, dass die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs diese weitgehenden Zugeständnisse nach und nach in Frage stellen wird.
Die Zollvorschriften für den Bereich der Russischen Föderation beinhaltet der neue, seit dem 01.Januar 2004 gültige, russische Zollkodex. Mit diesem neuen Zollkodex wurden qualitativ neue Regelungen eingeführt, ebenfalls mit der Absicht, den Erfordernissen des Zolls im Hinblick auf die ordnungsgemäße Anwendung des Zollrechts in gleichem Maße Rechnung zu tragen wie auch dem Anspruch der Wirtschaftsbeteiligten auf gerechte und angemessene Behandlung.
Meines Wissens wurden allerdings noch keine Durchführungsvorschriften erlassen, um auch tatsächlich eine einheitliche Anwendung der neuen Zollvorschriften sicherzustellen. Wichtig erscheint mir aber im Hinblick auf die Zielsetzung dieses Seminars:
Die russische Zollverwaltung erkennt den SMGS – Frachtbrief bereits vor der Ratifizierung des UNECE Übereinkommens über ein internationales Versandverfahren mit SMGS – Frachtbrief durch die beteiligten Staaten als Zollversanddokument an.
Weißrussland und die Ukraine verfügen über eine nationale Zollgesetzgebung. Dabei bildet Russland und Weißrussland bereits seit dem Jahr 1995 eine Zollunion. Ein durchgehendes gemeinschaftliches Versandverfahren zwischen diesen beiden Staaten existiert aber offensichtlich nicht.
Aber auch Weißrussland und die Ukraine erkennen bereits den SMGS - Frachtbrief auf der Basis des Entwurfs dieses vorgenannten UNECE Übereinkommens als Zollversanddokument an. Die Ukraine ist außerdem seit dem 01.Januar 2004 dem COTIF beigetreten. Für die Beförderungen auf den CIM-Strecken der Ukraine wird von der Ukrainischen Zollverwaltung der CIM Frachtbrief auch bereits als Zollversandanmeldung anerkannt.
Ein durchgehendes gemeinsames Zollversandverfahren zwischen einem Ort innerhalb des Zollgebiets der Europäischen Gemeinschaft und einem Ort innerhalb des Zollgebiets eines östlichen Nachbarstaates erscheint kurz- und mittelfristig ebenso wenig realistisch zu sein, wie eine baldige Verschmelzung der beiden Rechtssysteme CIM und SMGS.
Aber: Die positive Entwicklung bei der Anerkennung des SMGS – Frachtbriefs als Zollversanddokument auf der Basis des UNECE Übereinkommens durch Staaten des SMGS - Abkommens lässt doch hoffen.
Die Erstellung eines durchgehenden, einheitlichen Frachtbriefmusters CIM / SMGS erscheint heute tatsächlich machbar. Ein solches Frachtbriefmuster würde es erlauben, die Waren im Gebiet aller Vertragspartner mit einem Beförderungs- und einem Zollpapier durchgehend zu befördern, bei selbständiger Anwendung für die jeweiligen Kompetenzbereiche CIM und SMGS ! Die Zollformalitäten an der östlichen Außengrenze, an der für das weltweite Eisenbahnnetz so wichtigen Nahtstelle zwischen der Europäischen Union und Osteuropa / Asien, würden vereinfacht und kaum noch spürbar. Diese Harmonisierung der Frachtbriefmuster und in Folge dessen auch die Harmonisierung der darin enthaltenen Dateninhalte könnte dann sogar ein erster, ausbaufähiger Schritt zur Annäherung der nationalen Zollversandverfahren im Eisenbahnverkehr und zur späteren Nutzung zur Bedienung der Informatiksysteme des Zolls sein.
Was könnte solch ein durchgehend verwendbares, einheitliches Beförderungsdokument CIM / SMGS konkret bewirken ?
Verkehrsrichtung West – Ost:
§ Bis zum 01. Mai 2004 war eine Bestätigung der Ausfuhr bereits durch eine für den Versandbahnhof in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft zuständige Ausgangszollstelle möglich.
Wegen der transportrechtlichen Schnittstelle CIM / SMGS ist diese Vereinfachung des Ausfuhrverfahrens seit der EU -Osterweiterung nicht mehr relevant. Alle mit CIM – Frachtbrief abgefertigten Beförderungen enden heute innerhalb der Europäischen Union. Davon betroffen ist nicht nur das Ausfuhrverfahren selbst, sondern auch die Ausfuhrbestätigung bei Marktordnungswaren.
Der körperliche Ausgang der Waren aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft kann erst durch die Ausgangszollstelle an der Außengrenze der Europäischen Union bestätigt werden. Verzögerungen durch fehlende Ausfuhrpapiere, eine verspätete Rücksendung der Ausfuhrpapiere an den Exporteur oder gar Verlust der Papiere sind aktuelle, negative Begleiterscheinungen
Die bis zum 01. Mai 2004 mögliche Vereinfachung könnte aber bei Verwendung eines durchgehenden Beförderungsvertrags in ein Drittland, z.B. mit Bestimmung Russland, wieder genutzt werden.
§ In Weißrussland / der Ukraine und der Russischen Föderation würde dieser durchgehende einheitliche Frachtbrief anschließend als SMGS Frachtbrief und damit ebenfalls als Zollüberwachungspapier anerkannt. Das Erstellen eines besonderen Zolldokuments für diese Strecken würde entfallen.
Verkehrsrichtung Ost-West:
§ Der einheitliche Frachtbrief CIM / SMGS hätte bereits ab Versandbahnhof, z.B. in Russland, bis zur Frachtrechtsgrenze SMGS / CIM die Funktion eines Zollüberwachungspapiers. Die Notwendigkeit eines besonderen Zollüberwachungsdokuments würde entfallen.
§ Die Zollbehandlung der anschließend über die Außengrenze in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren würde vereinfacht. Das Beförderungsdokument mit einem Versandbahnhof z.B. in Russland, hätte mit Eintritt der Ware in die Gemeinschaft ohne weitere Zollförmlichkeiten den Status einer Zollversandanmeldung T1. Auf die Ausfertigung eines neuen Weiterleitungsfrachtbriefs CIM und auf dessen Vorlage bei der Abgangszollstelle an der Außengrenze der Gemeinschaft könnte verzichtet werden. Das wäre wiederum auch eine Vereinfachung für diejenigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die Vertragsparteien des SMGS – Abkommens sind.
Ausblick
Ganz klar: Der Teufel steckt auch hier im Detail. Dies alles bedarf neben einer noch intensiven, eisenbahninternen Abstimmung u.a. zwischen CIT, OSShD und den beteiligten Eisenbahnen natürlich noch der intensiven Kontaktaufnahme mit den Zollverantwortlichen.
Dabei ist auch noch nicht im einzelnen bekannt, wie die betreffenden Staaten die nun mögliche Verwendung des SMGS - Frachtbriefs als Zollüberwachungsdokument in der Praxis konkret handhaben.
Aber es muss immer wieder an die Ausgangssituation erinnert werden:
Politik
und Wirtschaftsbeteiligte verlangen nach einem attraktiven Ausbau des
Eisenbahngüterverkehrs zwischen Ost und West und nach einer Verkürzung der
Grenzaufenthalte. Die Schaffung eines durchgehenden Einheitsfrachtbriefs CIM
/SMGS erscheint zwar nicht sehr spektakulär. Es wäre aber ein erster,
sichtbarer Ansatz, ein wirksames Rädchen zu einer Vereinfachung der
Grenzförmlichkeiten. Diese Art der Vereinfachung wäre sogar ganz konkret
messbar, sowohl für den Wirtschaftsbeteiligten, sofern er nicht aus bestimmten
Gründen sowieso die Reexpedition bevorzugt, als auch für die beteiligten
Eisenbahnen und auch für den Zoll.
Die Europäische Union hat sich bisher sachlichen Argumenten, die zu einer zollseitigen Verbesserung der internationalen, grenzüberschreitenden Beförderungen beitragen konnten, niemals verschlossen. Die Reformen im Zollbereich auch der östlichen Nachbarländer sind spürbar und beweisen das Interesse auch dieser Zollverwaltungen an einer deutlichen Verbesserung des Warenverkehrs. Der neue russische Zollkodex ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie auch die offensichtlichen Bemühungen beispielweise der Ukraine für eine freiere Fahrt zwischen der Europäischen Union, Osteuropa und Asien.
Insofern
gibt es doch ein großes Maß an Zuversicht, das gemeinsame Ziel einer
Optimierung der transportrechtlichen Schnittstelle CIM / SMGS zu erreichen,
vorausgesetzt, alle beteiligten, unsere Kunden, der Zoll, vor allem aber
auch wir Bahnen selbst müssen dies auch wirklich wollen !
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